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Der Fahrrad-Boom 2020 bringt den Einzelhandel vielerorts an seine Kapazitätsgrenze. Die Auftragsbücher für Reparaturen sind voll, die Wartezeiten für Kunden lang. So rücken mobile Werkstätten in den Fokus – wie Yeply in Hamburg.
Fünf Minuten bin ich bereits auf der Suche. Nach Yeply.
Am Brandshofer Deich 68, einem alten Klinkersteingebäude im Hamburger Billhafen. Früher mal Lagerhalle, heute mehrstöckiger Firmenkomplex. Unter anderem hier am Oberhafenkanal beheimatet: die Yeply Germany GmbH.
Yeply – die mobile Fahrradwerkstatt
Weitere fünf Minuten und ein sachdienliches Telefonat später empfängt mich Country Manager Patrick Phillips-Laneve an einer unscheinbaren Metalltür am unteren Ende eines Treppenaufgangs.
„Gar nicht so leicht euch hier zu finden“, lauten meine ersten Worte. Wohlwissend, dass das Geschäftsmodell von Yeply ohnehin genau andersherum funktioniert: Die mobile Fahrradwerkstatt erledigt alle Aufträge seiner Kunden in deren Nachbarschaft, mit dem Drahtesel auf den Weg Richtung Billhafen machen muss sich keiner.
2016 in Finnland gegründet
Gut so, wenn es sich um Wartungen oder gar umfangreiche Reparaturen handelt. Denn genau hier setzt Yeply, gegründet im Jahr 2016 von Tommi Särkkinen und Antti Känsälä in deren Heimat Finnland, an.
Einiges zur Entstehungsgeschichte, aber noch viel mehr darüber, wie das Startup in Deutschland Fuß fasst, erzählt mir Patrick wenig später in seinem Büro. Die Kulisse und Atmosphäre: Viel Papierkram, pausenlos Anrufe, das Geschäft boomt wohl.
Kostentransparenz als Verkaufsargument
„Vor allem jetzt um diese Uhrzeit“, erklärt der 26-Jährige. Es ist kurz vor 19 Uhr an einem Freitagabend. Yeply wirbt mit Kostentransparenz. Die Idee eines mobilen Fahrradreparaturdienstes ist klar: Die Werkstatt fährt zu seinen Kunden, nicht umgekehrt.
Diese ersparen sich weite Wege zum stationären Fahrradgeschäft, lange Wartezeiten und mögliche Intransparenz bei der Preisgestaltung. Unter anderem damit bewirbt Yeply seinen Service, der in der Metropolregion Helsinki mit bislang über 11.000 reparierten Fahrrädern großen Anklang findet – und seit Mai 2019 auch in Deutschlands zweitgrößter Stadt angeboten wird.
Terminvereinbarung erfolgt Online
Termine kann jeder online über die Webseite buchen. Dort ist ebenfalls zu sehen, wann welches schwarz-gelbe Fahrzeug an welchem Service-Standort anzutreffen ist. „Jeder Van verfügt über zwei Reparatur-Arbeitsplätze, ein dritter kann bei Bedarf direkt vor dem Sprinter aufgebaut werden“, erklärt Patrick und hebt vor allem die Geschäftszeiten von 16 bis 21 Uhr hervor.
Außerdem bekomme der Kunde, bei einer Abgabe bis 18 Uhr, sein Fahrrad in „99 Prozent aller Fälle“ noch am selben Tag wieder fahrtauglich zurück. „Klingt nach einem perfekten Rundum-Service“, denke ich mir und bekomme anschließend das Preismodell erklärt.
Arbeitsschritte auf der Yeply Webseite einsehbar
„Der Instandhaltungsservice kostet pauschal 85 Euro“, sagt Patrick und zählt die 13 darin beinhalteten Arbeitsschritte auf. Neben der Kontrolle der Bremsen, Kurbeln und Pedale werde die Lenkung überprüft.
Des Weiteren die Reifen nach Mängeln abgesucht. Sind Beschädigungen an Mantel oder Schlauch vorhanden, erfolgt eine Reparatur. Abschließend wird die Kette geschmiert und die Gangschaltung eingestellt.
„Nach einer finalen Testfahrt unseres Mechanikers wird der Kunde benachrichtigt, wenn er uns nicht ohnehin über die Schulter geschaut hat“, erklärt der gebürtige US-Amerikaner und verweist auf ein weiteres Angebot von Yeply: dem Fahrrad-Service-Tag für Unternehmen.
Spezieller Service für Unternehmen
Hierbei können Firmen eines der zehn Fahrzeuge aus der Yeply-Busflotte ganztägig für ihre Mitarbeiter buchen. Wartung und Reparatur erfolgen am selben Tag auf dem Firmengelände, abends geht es mit dem wieder fahrtauglichen Drahtesel in den Feierabend.
Unternehmen könnten so die Mitarbeiterzufriedenheit steigern, deren Gesundheit erhalten und etwas zum Umweltschutz beitragen. Ein Modell, das laut Patrick gerade im laufenden Jahr großen Anklang in der Hansestadt gefunden habe.
Corona Effekt spürbar
„Die Corona-Pandemie hat uns einen riesen Aufschwung verpasst“, blickt er auf die zurückliegenden Monate zurück, in denen seiner Wahrnehmung nach mobile Fahrradwerkstätten noch mehr in den Fokus gerückt seien. Viele der Yeply-Kunden hätten sich, neben der lange Wartezeit im Einzelhandel, vor allem wegen möglicher Ansteckungsgefahren für mobile Reparaturen entschieden.
Zudem hätten viele Kunden gleich mehrere Fahrräder im Schlepptau gehabt. „Nach dem Motto: Wenn ich schon mal alte Schätze aus dem Keller wiederbelebe, dann gleich alle“, berichtet Patrick.
Yeplys Umweltschutz: Ein Zwiespalt?
Als das Telefon ein weiteres Mal klingelt und der nächste Kundenauftrag abgewickelt wird, denke ich nochmal über den angesprochenen Beitrag zum Umweltschutz nach. Einer der beiden Gründer sagt, man wolle die Welt ein bisschen besser machen.
„Im Zentrum unseres Handelns steht der Kunde, dem wir einen gesünderen, aktiveren und ökologisch nachhaltigeren Lebensstil ermöglichen möchten“, steht auf einem Werbeflyer.
Keine Frage: Durch mobile Werkstätten wie Yeply finden fahruntaugliche Räder aus der Garage wieder ihren Weg zurück auf den Fahrradweg. Andererseits fährt die Busflotte mit einem Verbrennungsmotor durch die Hansestadt – und hinterlässt damit umweltschädliche Spuren.
In Summe bleibt es wohl eine Abwägung. Bis Mitte Oktober 2020 hat das Unternehmen knapp 18.000 Fahrräder gewartet, wie ein Zähler auf der Webseite protokolliert.
Weitere Standorte in Planung
Das Telefon beiseitegelegt, erläutert Patrick mir die Kundenstruktur. „Eher über 40 Jahre, tendenziell mehr Frauen“ würden den Service in Anspruch nehmen.
Nach Hamburg sollen in Düsseldorf als weitere deutsche Stadt Reparaturwünsche in Yeply-Bussen erfüllt werden. Auch Standorte in München, Köln, Frankfurt am Main, Dresden, Bremen und Stuttgart sind geplant.
„Weil sich unser Konzept in Hamburg mehr als bewährt hat“, resümiert Patrick die bisherige Zeit in Norddeutschland.
Internationales Mechaniker-Team
Auch die aktuell 18 Mechaniker am Standort Hamburg dürften regelmäßig weitere Kolleginnen und Kollegen hinzubekommen.
Und das junge internationale Team aus Iranern, Spaniern oder Finnen weiter vergrößern. Denn an fahrradbegeisterten Menschen, die für Yeply arbeiten wollen, mangele es nicht, berichtet Patrick zum Abschluss meines Besuchs, bevor er mich mit einem kleinen Seitenhieb in den Freitagabend verabschiedet.
„Alle Bewerber, die wir bislang eingeladen haben, konnten auf Anhieb den Weg zu uns finden. Meistens sogar pünktlich.“ Scheinbar gute Voraussetzungen also für das finnische Unternehmen, weiterhin eine gefragte Service-Alternative in Deutschland zu stationären Fahrradwerkstätten zu bleiben.