Wer wird das Netflix der Fahrradbranche?

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Mieten statt kaufen: Immer mehr Start-ups wollen Kunden E-Bikes im Abo schmackhaft machen. Pünktlich zur Branchenmesse Eurobike geht nun ein besonders ambitionierter Anbieter an den Start. Doch Lieferengpässe bremsen die Euphorie.

Der Zeitpunkt der Mitteilung hätte symbolträchtiger kaum sein können: Ausgerechnet einen Tag vor Beginn der Eurobike in Friedrichshafen, wo sich nach einer der pandemiebedingten Pause im vergangenen Jahr wieder die großen Player der Fahrradbranche treffen, gab Dance seinen lang erwarteten Markteintritt bekannt. Das Berliner Start-up rüttelt an den Grundfesten der Branche. Statt E-Bikes über den Fachhandel zu verkaufen, vermietet Dance sie in Eigenregie. Für knapp 80 Euro monatlich bekommen Kunden – zum Start nur in Berlin – ein E-Bike mit wechselbarem Akku, hydraulischen Bremsen und integriertem Bluetooth-Schloss. Die Nutzer können monatlich kündigen, wenn sie keinen Bedarf mehr haben.

Nicht weniger als den „Start einer globalen Bewegung“ stellt Dance-Chef Eric Quidenus-Wahlforss in Aussicht. Dabei ist die Welt eigentlich schon mittendrin:  Mehrere Start-ups sind bereits mit derselben Geschäftsidee auf dem Markt unterwegs. Was den Ambitionen des Neueinsteigers dennoch Gewicht verleiht, sind allein die klangvollen Namen der Gründer. Quidenus-Wahlforss und Alexander Ljung hatten zuvor die Musikplattform Soundcloud aufgebaut, Christian Springub den Homepage-Baukasten Jimdo.

 Für ihr neues Vorhaben startet das Trio mit einem komfortablen Finanzpolster. 15 Millionen Euro haben institutionelle Wagniskapitalgeber im Herbst in das Unternehmen gesteckt. Hinzu kamen zuletzt noch eine Reihe klangvoller Promi-Investoren: Neben anderen sattelten die Musiker Will.i.am und Chance the Rapper sowie die Games-of-Thrones-Darstellerin Maisie Williams auf.


In der Schnittmenge von Megatrends

Die Erwartung sei, dass Dance noch in diesem Jahr mehrere Tausend E-Bikes an die Kunden ausliefere, sagt Rainer Märkle, General Partner bei HV Capital. Der Wagniskapitalgeber habe sich viele Unternehmen auf dem Markt angesehen – und sich schließlich für eine Beteiligung bei Dance entscheiden. „Das Geschäftsmodell ist in der Schnittstelle mehrerer Megatrends: Nachhaltigkeit, urbane Mobilität und der Trend weg vom Besitz hin zur Nutzung von Gütern.“ Rund zehn Prozent der Umsätze auf dem boomenden E-Bike-Markt, so die These des Investors, werden künftig Abo-Anbieter erwirtschaften.

Die Aussichten auf diesen Paradigmenwechsel lockt immer mehr Start-ups auf die Straßen. Von Paderborn aus etwa will Smafo mit E-Bike-Abos deutschlandweit expandieren. Rebike Mobility aus München hat bereits über tausend Abos verkauft. Eddi Bike aus Wien sieht sich bereits selbstbewusst als „Netflix der Fahrradbranche“. Und auch etablierte Unternehmen drängen in den Markt, etwa der Energieanbieter Naturstrom mit seiner Tochter Green Moves. Sogar Werkstätten locken inzwischen mit Abos. Das finnische Start-up Yeply, das derzeit mit 13 mobilen Werkstätten in Deutschland unterwegs ist, bietet bereits gegen zehn Euro im Monat eine Wartungs-Flatrate an. „Der Hauptgrund, nicht Fahrrad zu fahren, ist oft, dass irgendetwas gerade kaputt ist“, sagt Deutschland-Chef Patrick Phillips-Laneve. „Das wollen wir ändern.“


Werkstattdienste rücken in den Fokus

Die Strategien der Anbieter unterscheiden sich dabei deutlich voneinander. Pionier Swapfiets ist mit inzwischen 25 eigenen Werkstätten in Deutschland vertreten – und drückt Kunden bei aufwendigeren Reparaturen einfach ein anderes Fahrrad aus der Flotte in die Hand. Dance setzt zumindest in Berlin zum Start auf einen mobilen Werkstattdienst: Kunden geben per App an, wo es hakt. Innerhalb von 24 Stunden, so das Versprechen, soll das Fahrrad wieder flott gemacht werden. Anwesend sein müssen Nutzer dafür nicht: Die Mechaniker können das Rad per GPS orten und dann selbstständig das Bluetooth-Schloss öffnen.

Smafo wiederum hat einen eigenen Service für seine ersten Abo-Kunden in Paderborn, Bielefeld, Detmold und Umland angeboten. Dort seien technische Problem zu 90 Prozent noch am selben Tag gelöst worden, sagt Gründer Schneider. „Jetzt arbeiten wir daran, dieses Serviceversprechen deutschlandweit anbieten zu können.“ Für das Start-up, das sich bisher ohne die Unterstützung eines finanzkräftigen Wagniskapitalgebers durchschlägt, ist das eine Herausforderung. Zumal ein erklärtes Ziel ist, nicht nur in Metropolen aktiv zu sein. „Das größte Marktpotenzial sehen wir bei Pendlern, die im Speckmantel der Städte wohnen“, sagt Schneider.

Als Kooperationspartner bieten sich neben lokalen Händlern mobile Werkstattdienste wie Yeply an, für die Geschäftskunden eine willkommene Ergänzung sind. Vertreten ist Yeply bisher in Hamburg, Berlin, Düsseldorf und München. „Von dort aus fahren wir aber auch umliegende Städte an“, erklärt Deutschlandchef Phillips-Laneve. Auch mit Pop-up-Zelten und temporären Werkstätten in Containern experimentiert das Start-up, das in der Bundesrepublik aktuell 35 Mitarbeiter beschäftigt. „Unser Ziel ist es, für Kunden ganz Deutschland einen schnellen Service anbieten zu können.“


Der Teilemarkt ist leergefegt

Doch nicht nur der aufwendige Aufbau eine Servicenetzwerks bremst aktuell die Wachstumspläne der Abo-Anbieter. Das viel banalere Problem: Nach dem Boom im Corona-Jahr, in der allein in Deutschland laut dem Zweirad-Industrie Verband der E-Bike-Absatz um 17 Prozent gegenüber 2019 zugelegt haben, kommen viele Teile-Lieferanten nicht mehr hinter. Verstärkt haben die Lieferengpässe der Stau an den Seehäfen, befördert von coronabedingten Schließungen in China. „Dass die Lieferengpässe so dramatisch sein würden, haben wir im vergangenen Jahr unterschätzt“, räumt Investor Märkle ein.

Kompromisse eingehen musste Dance nicht nur beim Starttermin, sondern auch beim Design. Zu Beginn warb das Start-up noch mit futuristisch anmutenden Modellen, die nur wenig Speichen und innen verlaufenden Bremskabel haben. Tatsächlich wirkt die erste Generation des Dance-Fahrrads nun deutlich konventioneller. Grundsätzlich sei es angesichts der angespannten Liefersituation aber ein Vorteil, die E-Bikes selbst herzustellen, sagt Märkle. Der übliche Vorbehalt gegenüber Hardware-lastigen Geschäftsmodellen gelte auf dem Fahrradmarkt explizit nicht.